Bedingungsloses Grundeinkommen im Praxis-Test!!! / z.K. Herbert Jauch, Frankfurter Rundschau, TAZ, Neues Deutschland, Junge Welt, Annika Joeres, Die Linke Berlin
Juli 24, 2010 Hinterlasse einen Kommentar
Wegen der Wichtigkeit des Themas: Übersicht über Beiträge zum bedingungslosen Grundeinkommen in diesem Blog: LINK
Belljangler: „Winfried, es läuft ein Praxistest in Namibia zum bedingungslosen Grundeinkommen:
Die Ergebnisse scheinen im Widerspruch zu Deinen Ausführungen zur Problematik des bedingungslosen Grundeinkommens zu stehen:
Undurchdacht: Bedingungsloses Grundeinkommen / Petition Bedingungsloses Grundeinkommen, Thomas Straubhaar, Katja Kipping, Die Linke, Sachsen-Anhalt, Magdeburg, Halle, Dessau, Wittenberg, Stendal
Was sagst Du dazu?“
Winfried Sobottka: „Zunächst möchte ich sagen, dass der Artikel in der FR unbedingt lesenswert ist: Informativ, sehr leicht und verständlich geschrieben, angenehm zu lesen. Den sollte man unbedingt lesen.
Dann möchte ich höchstes Lob aussprechen für Herbert Jauch, Gründungsdirektor des namibischen Gewerkschaftsforschungsinstitutes Larri (Namibia’s Labour Resource and Research Institute) und Mitglied der Basic Income Grant Coalition (BIG) in Namibia, der das Ganze offensichtlich auf die Beine gestellt hat: Leute wie er sind wichtiger als Lafontaines, Kippings und Ramelows, viel wichtiger, weil sie praktische Erkenntnisse bringen, Beweise schaffen. Das hier ist er übrigens, der Herbert Jauch:
Und nun möchte ich die eigentliche Frage beantworten:
1. Das Test-Modell in Namibia wurde in einem Dorf durchgeführt, in dem es zuvor offenbar praktisch gar keine Arbeit gab. Weiterhin ist davon auszugehen, dass das Sozialleben als solches, Familienzusammenhalt usw., in einem Dorf in Namibia weitaus besser funktioniert als in der BRD Gesellschaft.
Damit sind zwei wichtige Punkte gegeben, die für die Wirkung eines Mindestlohnes eine Rolle spielen, die im Test-Dorf anders sind als bei uns.
2. Die Beispiele, die Herbert Jauch für das Entstehen neuer Arbeit bietet, beziehen sich auf Arbeiten, die man nicht unbedingt ungern tun muss – es kann Freude bereiten, Brötchen zu backen, damit Menschen, die man mag, Brötchen essen können, das Selbe gilt für die Anfertigung von Kleidung.
Hier kommt genau die Motivation zum Zuge, die Menschen immer schon motivierte – die natürliche Motivation.
Doch wieviele Menschen gibt es in der kapitalistischen BRD-Gesellschaft, die einer Arbeit nachgehen, die sie nur widerwillig ausführen können, der sie nur deshalb nachgehen, weil die kapitalistische Antriebspeitsche, die Angst vor Armut, sie treibt?
Zudem nennt Herbert Jauch nur zwei Beispiele dafür, dass Menschen zusätzlich begannen, zu arbeiten. Das erlaubt keine Aussage über die grundsätzliche Motivationswirkung des bedingungslosen Grundeinkommens, sondern legt einen anderen Schluss nahe: Erst aufgrund des bedingungslosen Grundeinkommens konnten Brötchen und Kleidung im Dorf verkauft werden, weil es vorher keine Kaufkraft gab. Und darum wurden diese Tätigkeiten aufgenommen.
3. Der Bericht lässt nicht sehr tief blicken. Man weiß nicht, wie gut/schlecht ein Dorfbewohner mit 9 Dollar im Monat dort zufrieden sein kann, man erfährt nichts über die sozialen Strukturen im Dorf, man erfährt nichts die Lebensgrundlage vor dem Grundeinkommen – kurzum: Man kann es wissenschaftlich nicht wirklich einordnen, die Aussagekraft geht nicht über Dörfer hinaus, die unter vergleichbaren Umständen leben, und eine Quantifizierbarkeit von Wirkungen ist nicht ersichtlich. Es müssten nähere Forschungen betrieben werden, zum Vergleich müssten auch Dörfer mit desolatem Sozialleben einem solchen Versuch unterzogen werden – etwa eine Siedlung der Inuits in Grönland.“
Belljangler: „Kannst Du es mit einem einfachen Beispiel verdeutlichen, dass Erfahrungen in einem Experiment grundsätzlich nur unter den Bedingungen gelten, unter denen sie gemacht wurden?“
Winfried Sobottka: „Dafür gibt es viele einfache Beispiele. Nehmen wir an, eine Pflanze in einem Pflanztopf erhalte zu wenig Dünger. Dann kümmert sie.
Beginnt man nun, Dünger in vernünftiger Dosierung zuzugeben, dann wird die Pflanze erkennbar gedeihen.
Doch schließt man daraus, dass jede Pflanze besser gedeihe, wenn sie zusätzlich gedüngt werde, dann ist dieser Schluss falsch: Wenn eine Pflanze bereits die optimale Menge Dünger erhält, woher auch immer, dann führt jede zusätzliche Düngung nicht zu besserem, sondern zu schlechterem Gedeihen, und starke Überdüngung führt gar zum Stocken des Wasserkreislaufs in der Pflanze und damit zu ihrem Tod.“
Winfried Sobottka, United Anarchists
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