Wirtschaftsexperte Winfried Sobottka zur Lage: Japan und die Welt/ Produktionsstopp Japan, Wolfgang Franz, Thomas Mayer, Deutsche Bank, Dekabank, Rudolf Besch, Thomas Straubhaar, HWWI, Jan Hatzius, Goldman Sachs
März 19, 2011 Hinterlasse einen Kommentar
Belljangler: „Wirtschaftsexperte Winfried Sobottka, die Autofabrikation in Japan steht still, und u.a. heißt es dazu:
Zum Kollaps hat auch das Just-in-Time-System geführt, das die japanischen Autobauer einst erfunden und perfektioniert haben. Sie konnten dadurch auf Lagerhallen verzichten und immense Kosten sparen. Doch nun lernen sie den Nachteil kennen, denn ganz unabhängig von Beschädigungen der Fabriken funktioniert das Netzwerk nicht mehr. Die Lieferketten wurden durch die zerstörte Infrastruktur unterbrochen.
Beleg: http://altermedia1de.files.wordpress.com/2011/03/autoproduktion-stop-01.png
Du hattest schon am 15. März 2011 u.a. gschrieben:
Wer in den 80-ger Jahren sehen wollte, wie „verschlankte Produktion“, „Outsourcing“ usw. in der Praxis aussehen, konnte das am besten in Japan – es war das Pilgerland der Neoliberalen aus aller Welt.
Dabei hat sich in Japan ein System hochgradiger Abhängigkeiten aufgebaut, innerhalb dessen es – das ist der Preis „verschlankter Produktion“ – keine nennenswerten Reserven für den Fall gibt, dass irgendetwas unplanmäßig ausfällt. Man kann das vereinfacht mit einem hoch entwickelten Raumschiff vergleichen, in dem kein einziges Ersatzteil an Bord ist. Fällt dann irgendwo im System ein 50-Cent-Chip aus, dann kann das schon die Katastrophe bedeuten.
In Japan ist die gesamte Nordregion schwer angeschlagen, was Energieversorgung und Logistik (Verkehrswege) angeht, und auch die japanische Energiewirtschaft funktionierte offenbar verschlankt: Der Produktionsausfall der betroffenen KKW kann nicht durch höhere Strom-Produktion anderswo kompensiert werden, wie man sieht.
doch dann meldeten japanische Autokonzerne wieder die Aufnahme der Produktion… Was lief dort, was läuft jetzt?“
Winfried Sobottka: „Es sieht so aus, als ob man kurzfristig alle Produktionslager der kompletten Linie (also inklusive der Lager der Teilelieferanten) ausgeräumt habe, um erstens ein psychologisches Signal zu setzen („wir können wieder produzieren“), zweitens, um alles zu „verbauen“, was noch in der Linie war.“
Belljangler: „Du meinst aber auch, die japanische Automobilindustrie habe es derzeit gar nicht so eilig, die Produktion wieder aufzunehmen?“
Winfried Sobottka: „Ich an ihrer Stelle hätte es nicht eilig, solange nicht klar ist, ob der Supergau abgewendet werden kann und mit welchen Verstrahlungsschäden man es in Japan letztlich zu tun haben wird. Leerlauf in Fabriken mag teuer sein, noch viel teurer ist es, Autos zu produzieren, die man aufgrund radioaktiver Kontaminierung später nicht los wird. Dass japanische Auto-Manager sich darüber Gedanken machen, kann man daran ablesen, dass immer wieder betont wird, es seien noch viele Japan-Autos in den Auslandslagern und auf Schiffen, die vor dem Tsunami abgelegt hätten.“
Belljangler: „Was würdest du tun, wenn du ein eiskalter Manager z.B. von Toyota wärest?“
Winfried Sobottka: „Dann hätte ich schon Planungsarbeiten zur Klärung der Frage angeordnet, welche Auslandsfabriken im worst-case die Exportanteile der japanischen Toyota-Werke am besten und am schnellsten übernehmen könnten, und hätte den Finanzchef schon gebeten zu analysieren, wie viel Geld er locker machen könne, um Auslandsinvestitionen zu finanzieren.
Zudem hätte ich mir eine Zeitmarke gesetzt: Tag X. Bis zu dem Tag würde ich abwarten, ob man die Radioaktivitätsprobleme in Japan hinreichend in den Griff bekommt, um Japan-Autos exportieren zu können, und einen Tag nach dem Tag X würde ggf. das womöglich größte Investitionsprogramm in der Geschichte Toyotas anlaufen.“
Belljangler: „So werden die japanischen Autobosse handeln?“
Winfried Sobottka: „So müssen sie handeln, wenn sie strategisch und gewinnorientiert denken.“
Belljangler: „Die Wirtschaftsexperten sind sich uneins – manche fürchten das Schlimmste für die Weltwirtschaft, manche sehen so gut wie keine Probleme außerhalb Japans:
http://altermedia1de.files.wordpress.com/2011/03/volkswirte-wittern-gefahr-01.png
http://altermedia1de.files.wordpress.com/2011/03/volkswirte-wittern-gefahr-02.png
http://altermedia1de.files.wordpress.com/2011/03/volkswirte-wittern-gefahr-03.png
http://altermedia1de.files.wordpress.com/2011/03/volkswirte-wittern-gefahr-04.png
http://altermedia1de.files.wordpress.com/2011/03/volkswirte-wittern-gefahr-05.png
Du hast bisher die Auffassung vertreten, abgesehen von Japan könnten alle anderen nur gewinnen. Bleibt es dabei?“
Winfried Sobottka: „Realwirtschaftlich betrachtet jedenfalls. Japan ist kein Lieferant wichtiger Rohstoffe, sondern nur Veredler – was die Japaner dem Weltmarkt bieten, kann ebenso gut von anderen geboten werden, wenn andere die Rolle erst einmal übernehmen – und das kann heutzutage sehr schnell gehen. Die Experten, die Probleme sehen, sehen ja auch kaum realwirtschaftliche Probleme, sondern denken an Zusammenbrüche von Banken, Immobilienfonds usw. Das könnte vorübergehend zu starken Depressionen führen, weil das ganze Weltfinanzierungssystems durch und durch faul ist, die Staaten nahezu alle auf Rekordschulden sitzen und auf stetig zunehmende Verschuldung angewiesen sind und so weiter. Ich persönlich denke, dass es längst überfällig sei, dass einmal ein Hurricane in dieses weltweite Finanzkartenhaus hineinblase, denn ohne Finanzkatastrophen scheint es keinen politischen Wandel geben zu können.“
Belljangler: „Wird wegen Japan ein Hurricane in das weltweite Finanzkartenhaus blasen?“
Winfried Sobottka: „Ich denke, dass das nicht der Fall sein wird. Das weltweite Großkapital kann nicht so blöd sein, solche Risiken derzeit einzugehen – in einer Lage weltweiter politischer Instabilitäten.“
Liebe Grüße
Dipl.-Kfm. Winfried Sobottka, UNITED ANARCHISTS und Order of ?
TOP-WICHTIG:
Neueste Kommentare