Hallo, Leute!
Muss ich irgendwem von Euch die Bertelsmann-Stiftung erklären? Ich denke, nicht.

Denjenigen unter Euch, die sich mit Verhaltenswissenschaften noch nicht wirklich befasst haben, will ich ein paar kleine Hinweise geben:
Bei der Untersuchung von irgendwelchen Dingen hat man es in den Verhaltenswissenschaften so gut wie nie mit sauber messbaren kardinalen Merkmalsausprägungen zu tun, wie man es in der Technik einfach so gewohnt ist. Hier reden Wirtschaftswissenschaftler von quantitativen Daten, die bei wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen natürlich auch vorkommen (Kostenanalyse, z.B.).
In den Verhaltenswissenschaften aber geht es so gut wie immer um Messung subjektiv empfundener Sachverhalte, hier reden Wirtschaftswissenschaftler von qualitativen Daten: Man hat kein naturwissenschaftlich begründetes Messsystem, sondern muss zunächst möglichst gut geeignete Messsysteme generieren (sich ausdenken). Als ein einfaches Beispiel könnt Ihr Euch das Politiker-Bewertungssystem im Online-Focus vor Augen halten: Politiker werden unter verschiedenen Aspekten auf einer 1 bis 6 Skala eingeordnet, dann werden die Bewertungen offenbar gleichgewichtet zu einer Gesamtbewertung zusammengefasst, wobei Ordinalzahlen „kardinalisiert“ werden…..
Wenn man es sorgfältig machen will, nimmt man Aspekte, die untereinander nicht korreliert sind, was man z.B. mit der Faktorenanalyse erreichen kann, wenn man zunächst plausible Merkmale generiert und Voruntersuchungen durchgeführt hat. Diese Arbeit machen sich Leute, die es wissenschaftlich genau nehmen – um zu verhindern, dass ein der selbe Umstand mehrfach berücksichtigt wird. Aber oft taucht dann die Frage auf, wie man einen mathematisch ermittelten Faktor so bezeichnen soll, dass die Probanden ihn auch zutreffend interpretieren können….
Was auch immer man tut, es beseitigt nicht das Problem, dass bei einer Zusammenfassung verschiedener Faktoren (z.B. zur Größe Gesamteignung eines Politikers) letztlich willkürlich gewichtet werden muss – auch hier liegt mit Wahrscheinlichkeit von praktisch 1,0 ein methodischer Fehler vor, den man nicht einmal hinsichtlich seiner Größenordnung abschätzen kann. Bestenfalls mit Zusatzuntersuchungen könnte man dahinter kommen, dass man doch etwas falsch gemacht hat – wüsste dann immer noch nicht genau, was (Beispiel: Politiker ist vom Probanden mit „Durchschnitt“ 4,7 bewertet, Proband meint aber, Politiker sei insgesamt noch tragbar).
Dann hat man also ein System, bei dem die Probanden ihre Einzelurteile abgeben, die letztlich zu einem methodisch fragwürdig ermittelten Gesamturteil zusammenfließen, und weiß außerdem natürlich, dass die abgegebenen Einzelurteile keine exakten Messungen sein können – das Problem wird Euch dann klar, wenn Ihr einmal versucht, selbst solche oder ähnliche Bewertungsfragen zu beantworten: wann ist etwas für Euch sehr gut, wann gut usw. Kurzum: Verhaltenswissenschaftliche Untersuchungen können bestenfalls tendenzielle Aussagen erlauben, und richtige tendenzielle Aussagen nur bei sehr gründlicher sachverständiger Arbeit oder sehr einfachen und klaren Zusammenhängen („Wollen Sie lieber eine Million, oder möchten Sie lieber zu Tode gefoltert werden?“).
Das Problem, tatsächliches menschliches Handeln expost kausal zu analysieren, ist noch weitaus größer: Was die Bertelsmann-Stiftung an der Stelle (s.o.) liefert, kann nur gequirlte Hühnerscheiße sein, aber es wird so serviert (sogar mit Nachkommastelle !!!), als würde man sagen: „So und so viele Autounfälle hätte es nicht gegeben, wenn die Bremsanlagen nicht defekt gewesen wären.“ (Wobei selbst solche Aussagen nicht unproblematisch sind: Kam es wirklich NUR auf die defekte Bremsanlage an, oder hätte es auch ansonsten gekracht?).
Dabei entziehen sich die von Bertelsmann aufgestellten Behauptungen auch noch jeder unmittelbaren Nachvollziehbarkeit: Selbst ein Abitur ist heutzutage kein sicherer Schutz vor Arbeitslosigkeit, wie soll dann ein Hauptschulabschluss die Lebenssituation eines Menschen so entscheidend ändern, dass er ohne ihn zum Mörder wird, mit ihm aber nicht? Wird man uns demnächst auch noch sagen, dass staatliche Ganztagserziehung ab 2 Jahren dazu führen werde, dass es zukünftig keinen Kindesmissbrauch und keine Nazis mehr geben werde, dass es keine Gewalt mehr in Ehen geben werde, dass wir alle nur noch glücklich sein würden – alles laut Bertelsmann-Stiftung?
Leute, wer mit solchen Methoden arbeitet, der kann gar nichts Gutes im Sinne haben. Dass sich alle Parteien einig sind, was die Richtung angeht, macht das ganze zum Horror. Dass sich keine wahrnehmbare Kritik außer meiner entschieden äußert, lässt das Schlimmste befürchten.
Wenn Ihr jemals Kinder haben wollen solltet, dann solltet Ihr den Absprung aus Deutschland allmählich vollziehen.
Laut Anschreiben der RAin Lyndian sei in der mir zugesandten Urteilskopie nichts geschwärzt, sie warnt allerdings davor, das Urteil oder Teile davon zu veröffentlichen, es sei mir nur für Zwecke meiner Verteidigung verfügbar gemacht, ansonsten hätte ich zumindest mit zivilrechtlichen Folgen zu rechnen. Letztere können mich natürlich nicht beeindrucken, wenn ich meinen sollte, dass das Urteil oder Teile davon zu veröffentlichen seien, aber jedenfalls werde ich Namen, außer von Gutachtern etc. natürlich schwärzen, bevor ich etwas veröffentlichen werde.
Da das Biest wirklich sehr umfangreich ist, werde ich mich damit jedenfalls vor dem nächsten Prozesstermin gar nicht befassen können.
Liebe Grüße
Winfried Sobottka
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