Über das Wesen der SS-Totenkopfverbände / Eugen Kogon, Zentralrat der Juden, Dieter Graumann, Altermedia, ex-k3-berlin, katja kipping, antifaschistische linke berlin und hamburg
März 23, 2011 Hinterlasse einen Kommentar
Ladies and Gentlemen!
Das Buch von Eugen Kogon, „Der SS-Staat“, bietet nicht nur tiefste Einblicke in das KL-/KZ-Lagerleben und -sterben, sondern belegt u.a., wie auch das Buch „Der Orden unter dem Totenkopf“ von Heinz Höhne, dass die SS ein sehr heterogenes Gebilde war.
Über die junge Intelligenz der SS habe ich bereits einiges geschrieben, siehe mit weiteren Verweisen:
und tatsächlich wirkt diese geradezu sympathisch, wenn man sich auf der anderen Seite die SS-Totenkopfeinheiten, die SS-Verfügungstruppe und die aus Totenkopf-, Verfügungstruppen- und Polizeieinheiten gebildeten Sondereinheiten vor Augen hält, die in Polen und der Sowjetunion bestialisch und pervers vor allem gegen die Juden gewütet haben.
Eugen Kogon warnt die Leser seines Buches im Vorwort, dass er Dinge beschreibe, die man als die tiefsten Abgründe menschlichen Handelns bezeichnen müsse, und man muss sagen, dass das, was er beschreibt, über Dinge, wie man sie etwa in der Serie „Holocaust“ sah, noch weit hinausgeht, auch wenn ich nicht sehe, dass er das denkbar Schlimmste beschreiben würde, was vermutlich auch nicht möglich wäre: Die Skala ist nach oben offen, begrenzt letztlich nur dadurch, dass jedes menschliche Leben sich an einem bestimmten Punkt so klar für den eigenen Tod entscheidet, dass diese Entscheidung, ob der Mensch gefesselt ist oder nicht, sich auch sicher durchsetzt – sei es durch Herzversagen, sei es durch Hirnschlag.
Es wird in Eugen Kogons Buch auch deutlich, dass die wahren Umstände in den KZ-/KL selbst gegenüber vielen anderen Stellen in der SS geheim gehalten wurden, dass z.B. Besuche von SS-Führern vorbereitet wurden, dass ihnen ein falsches Bild vom Lagerwesen präsentiert wurde.
Die Totenkopf-Einheiten hatten sich ihre eigenen Inselwelten geschaffen, in denen sie letztlich machten, was sie wollten. Das richtete sich nicht nur gegen die KL-/KZ-Häftlinge, sondern durchaus auch gegen den damaligen deutschen Staat, dessen kriegswirtschaftliche Bestrebungen von den Totenkopfverbänden durch ein nicht mehr zu überbietendes Maß an Korruption und Pfründenwirtschaft torpediert wurden; sie sackten einfach alles ein, was sie irgendwie einsacken konnten, dabei spielte es auch keine Rolle, ob Rohstoffe und Kapazitäten kriegswichtig und knapp waren oder nicht. In der NSDAP war ein solches Handeln zwar verbreitet, die „Goldfasanen“ gab es auf allen Ebenen, Göring betrieb den Klau international und in großem Stile und für Hitler war nichts zu aufwändig oder zu teuer, aber dem Denken der jungen SS-Intelligenz widersprach solches Handeln ebenso wie dem Denken des in materiellen Dingen puritanisch eingestellten Himmler, so dass die Totenkopfverbände der SS ihrem Wesen nach als einzigartig in der SS verstanden werden müssen. Sie sind ein Phänomen, dass näherer Betrachtung bedarf.
In den Totenkopfverbänden sammelten sich offensichtlich verkrachte Profilneurotiker, die aufgrund ungünstiger Erziehungssituationen und geringer geistiger Begabung ihr Karriereheil in der Durchführung der schmutzigsten Aufgaben suchten, die das 3. Reich zu vergeben hatte. Dasbei kann man nicht sagen, dass Himmler sich dessen nicht bewusst gewesen sei: Bei Guido Knopp ist nachlesbar, dass Himmler sich mit dem damaligen Reichsjugendführer Baldur von Schirach darauf verständigt hatte, dass von Schirach ihm diejenigen HJ-ler zuführe, die durch Grobheit, Gemeinheit und Brutalität auf sich aufmerksam machten – als Nachwuchs für die Totenkopfverbände.
Dass Himmler nicht gewusst hätte, dass in den KL/KZ auch dann, wenn sie nicht zu den Vernichtungslagern gehörten, auffallend viel gestorben wurde, muss man ebenfalls ausschließen. Aber was dort im Einzelnen praktiziert wurde, war zweifellos nicht in jedem Falle nach Himmlers Geschmack, denn er fürchtete – wie auch ein bei Kogon zitierter SS-Arzt – dass sich unter solchen Umständen Sadisten heranbilden würden. Die Furcht war unbegründet – er hatte ja bereits Sadisten für seine Totenkopfverbände rekrutiert, in den Lagern konnten sie nur dem freien Lauf lassen, was sowieso in ihnen steckte. Dabei scheinen auch traumatische Erfahrungen mit Frauen eine Rolle gespielt zu haben, denn für scheußliche Experimente suchten die Totenköpfe stets besonders schöne Frauen aus, wie man bei Kogon nachlesen kann.
Interessant auch die – wenn auch weitgehend bekannten – Verbindungen der Totenköpfe zur deutschen Industrie. Kein damaliger deutscher Industrieller, der sich Zwangsarbeiter von der SS auslieh, kann sagen, er habe nicht gewusst, unter welchen Umständen die Zwangsarbeiter schufteten und verreckten. Zudem wäre diese Art der Kooperation zwischen Sklavenanbietern und Sklavennachfragern nicht möglich gewesen, hätte es nicht eine sehr enge Verzahnung von Wirtschaft und SS gegeben – auf allen Ebenen vom Wirtschaftsverwaltungshauptamt der SS, dem die Lager unterstellt waren, bis hin zu den Führern HSSPF, den Höchsten SS- und Polizeiführern vor Ort, und den Führern der Lager-Außenkommandos und ihren Sklaventreibern und Killern.
Interessant auch, dass ich erste Hinweise auf Hirnwäsche mit sexuellen Mitteln fand, die wohl den wenigsten bekannt sein dürften: In den KL/KZ wurden tatsächlich Bordelle eingerichtet, und zwar auch für diejenigen Häftlinge, die sich das leisten konnten, nachlesbar nicht nur bei Eugen Kogon, sondern auch im Internet, z.B.:
Ein Ausschnitt daraus:
Nach Ansicht Himmlers war männliche Sexualität also bedeutsam für Leistungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit – genau für das, was von einem Sklaven erwartet wird: Volle Leistung, alles schlucken. Im SM-Sex werden zumindest Leistungsdruck und Anpassungsfähigkeit perfektioniert – sollte Himmler sich dafür nicht interessiert haben?
Es wird sehr schwierig sein, noch tiefer zu graben, auch wenn ich mir den Rest im Grunde denken kann, schließlich ist sexuelle Hörigkeit die stärkste und billigste aller Sklavenketten, doch bereits das Buch von Eugen Kogon macht deutlich, dass die Taten der SS, je abartiger zu waren, zugleich desto besser unter Aspekten der Geheimhaltung geschützt waren. Man kann sich absolut sicher sein, dass bereits die Einsichten, die Eugen Kogon per Buch ermöglicht, das man heute für 9,95 Euro überall kaufen kann, niemals an die Öffentlichkeit gedrungen wären, wenn die SS-Totenköpfe ihre eigenen Lager bis zuletzt wirklich unter Kontrolle gehabt hätten. Auch Eugen Kogon sollte letztlich gemordet werden, einfach deshalb, weil er zu viel wusste.
Zu bemerken ist noch, das auch die Darstellungen Eugen Kogons keinen Zweifel daran lassen, dass die Juden zu den erbarmungswürdigsten Opfern der Totenkopf-Einheiten gehörten, die besonders der Demütigung und allen möglichen Qualen ausgesetzt waren, bevor sie, falls nicht bereits in Buchenwald, Mauthausen usw. gemordet, letztlich in Bergen-Belsen verhungern mussten oder in Auschwitz, Sobibor usw. vergast, erschossen oder verbrannt wurden.
Liebe Grüße
Dipl.-Kfm. Winfried Sobottka, UNITED ANARCHISTS und Order of ?
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