Winfried Sobottka: Ansätze zum Verständnis des 3. Reiches / Hannelore Kraft, Dieter Graumann, Prof. Jürgen Habermas, Altermedia, Jutta Ditfurth, Antifaschistische Linke Berlin, ruhrbarone, Annika Joeres
April 13, 2011 Hinterlasse einen Kommentar
Belljangler: „Winfried, es gibt vier Bücher, die du für besonders wichtig hältst, um das Dritte Reich verstehen zu können, wie es wurde, wie es sich entwickelte, wie es endete und zugleich die Gestaltung der BRD maßgeblich bestimmte:
„Hitler“ von J.C. Fest,
„Der Orden unter dem Totenkopf“ von Heinz Höhne,
„Der SS-Staat“ von Eugen Kogon
und
„Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten“ von Reinhard Kühnl.
Welches ist das Wichtigste?“
Winfried Sobottka: „Sie sind alle wichtig, den besten Überblick über die Gesellschaft in ihrer Breite gibt das Buch von Reinhard Kühnl, das Originalzitate aus allen möglichen gesellschaftlichen Organisationen anbietet, die übrigen drei bieten tiefe Einblicke in Einzelaspekte. Aber ich bin nicht der Auffassung, dass diese Bücher alles bieten, was man wissen sollte. Man muss sich auch an anderen Stellen informieren, um einen vollständigen Überblick zu gewinnen.“
Belljangler: „Was ist zur betriebenen Aufarbeitung zu sagen?“
Winfried Sobottka: „In mehreren Hinsichten Verschleierungspolitik der übelsten Sorte. Knapp gesagt wird das 3. Reich auf Judenmord und Raubkriege reduziert, alle Verantwortung so gut wie möglich auf Hitler abgeschoben, der geschichtliche Kontext nicht berücksichtigt.“
Belljangler: „Was wäre hinsichtlich des Kontextes zu berücksichtigen?“
Winfried Sobottka: „Zum einen die Ausplünderung Deutschlands durch den Vertrag von Versailles, der offensichtlich darauf ausgelegt war, Deutschland die Luft zu nehmen, und zwar auf Jahrzehnte. Dieser Vertrag von Versailles war die schlagkräftigste Waffe des Agitators Hitler in den 20-ger und frühen 30-ger Jahren, er war ein Nagel, der im Fleische aller Deutschen brannte. Dieser Umstand wird kaum treffend gewürdigt, außer bei Joachim C. Fest, dabei drängen sich Vergleiche mit der Gegenwart doch förmlich auf: Die Sparkuren, die man nun Ländern wie Griechenland usw. verordnet, sind in der Wirkung nicht viel anders, als der Vertrag von Versailles es damals für Deutschland war.
Ein anderer Punkt ist der, dass zumindest ein großer Teil der Juden in Deutschland wie in Österreich im Grunde eine Subgesellschaft bildeten, die sehr erfolgreich auf Reichtums- und Machtmehrung zielte – für sich selbst. Eine Abneigung gegen diese Art von Judentum war also durchaus verständlich, und sie war auch entsprechend verbreitet. Das rechtfertigt zwar nicht die Verbrechen, die im 3. Reich an den Juden begangen wurden, war aber die Grundlage, auf der diese Verbrechen überhaupt erst möglich wurden. Das Verhalten der Juden lieferte Hitler die notwendige Grundstimmung im Volke und die greifbaren Argumente, um überhaupt gegen die Juden agitieren zu können.
Hätte das Volk keinen Grund gesehen, sich über Juden aufzuregen, dann hätte Hitler keinen Boden gehabt, um seinen Rassenwahn letztlich ausleben zu können. Auch hier muss man befinden, dass diese Dinge für die Betrachtung der Gegenwart wichtig sind: Die „Goldfasanen“-Juden des heutigen Zentralrats sind in der Bevölkerung kaum weniger unbeliebt als die Machtjuden in den 20-ger und frühen 30-ger Jahren des 20. Jh., und Juden wie z.B. Dieter Graumann und Michel Friedman bieten rassistischen Agitatoren nicht weniger Futter als die Machtjuden damals.“
Belljangler: “Was ist, abgesehen von Judenmord und Raubkriegen, am 3. Reich noch wichtig?“
Winfried Sobottka: „Zum Beispiel die eindeutig ultrakapitalistische Ausrichtung, die man absolut mit dem Neoliberalismus von CDU, CSU, FDP, SPD, DIE GRÜNEN auf eine Stufe stellen kann: Das Volk sollte möglichst billig und möglichst viel arbeiten, möglichst teuer einkaufen, die Pfründen sollten zwei Herrenmenschenkasten gehören: Der Politik und der Wirtschaft. Es ging nachweislich nicht nur darum, Fremdvölker zu versklaven, sondern auch darum, das deutsche Volk zu versklaven und nicht Arbeitsfähige zu eliminieren.
Das zeichnete sich auch im Kriege ab. Bekannt ist Himmlers Rede vor Gauleitern in Posen, 1943, als er u.a. sinngemäß sagte, es sei ihm egal, ob 10.000 russische Weiber beim Bau eines Panzergrabens für Deutschland an Entkräftung sterben würden, ihm sei es nur wichtig, dass der Panzergraben für Deutschlands fertig werde. Doch die selbe Menschenverachtung praktizierte das System auch an seinen eigenen Soldaten, wie sich ohne Weiteres nachweisen lässt. Es zählte tatsächlich einen Dreck, wie viele deutsche Soldaten drauf gingen, und als es für die maßgeblichen Kreise längst klar war, dass der Krieg sehr bald (!) verloren sein würde, hatte man auch keine Hemmungen, noch zigtausende von jungen Männern ab 15 Jahren zu verheizen – im Grunde für nichts und wieder nichts.“
Belljangler: „Wie bewertest Du die Rolle der Wirtschaft?“
Winfried Sobottka: „Ohne sie wäre Hitler nicht an die Macht gekommen, siehe u.a.:
http://www.die-volkszeitung.de/00-die-volkszeitung/2010/juli/artikel-15/artikel.html
sie war von Anfang an in Hitlers Kriegsziele eingeweiht, was auch nötig war, um Deutschland im Rekordtempo von einem militärischen Zwerg zu einem militärischen Giganten zu machen und die Wirtschaft auf Kriegsfähigkeit einzustellen. Dabei machte die deutsche Wirtschaft enorme Gewinnsprünge, sackte sich zudem noch das jüdische Betriebsvermögen ein (Arisierung), sie korrumpierte NSDAP und SS von unten bis oben, war mit höchstem Eifer bei der Planung der wirtschaftlichen Ausplünderung der besetzten Ostgebiete dabei, hatte keine Hemmungen, Zwangsarbeiter massenhaft unter elenden Bedingungen schuften und sterben zu lassen, machte bei den Menschenversuchen mit, lieferte das Zyklon B für den Massenmord – sie war um wirklich gar nichts besser als Hitler selbst.
1942/43 dann aber ein Riss, als die deutsche Front rückwärts marschierte und den Wirtschaftsbossen wohl klar war, dass der Krieg verloren war. Der „Widerstandskämpfer“ Carl-Friedrich Goerdeler z.B. war kein Militär, aber jedenfalls ein Günstling der Wirtschaft:
der zweifellos auch klar geworden war, dass Hitler weg musste, dass es im Interesse der Wirtschaft sein musste, den Krieg möglichst schnell auf dem Verhandlungswege zu beenden, weil er eben nicht mehr zu gewinnen war. Auch gibt es Indizien dafür, dass die Wirtschaft die Kriegsproduktion ab 1942 nicht mehr ganz so ernst nahm: Der 1942 von Adolf Hitler eingesetzte Leiter der Kriegsproduktion, Albert Speer, hielt es jedenfalls für nötig, der Wirtschaft mit der SS zu drohen, falls sie die Produktion von „Luxusgütern“ anstelle von Kriegsproduktion betreiben sollte. Geht man davon aus, dass die Wirtschaft den Krieg verloren gegeben hatte, dann musste es aus ihrer Sicht sinnvoll sein, von der Kriegsproduktion zur Konsumproduktion überzuleiten und sich damit zugleich ein schöneres Profil gegenüber den Siegermächten zu geben.“
Belljangler:“Wehrmacht, SS und Wirtschaft hatten dem Hitler 1942/43 innerlich gekündigt, aber man ließ es noch zu, dass Millionen Soldaten und Zivilisten umkamen?“
Winfried Sobottka: „Ja, es ist nicht zu fassen. Jedenfalls sind die geistigen Schurken nicht nur in den SS-Verbänden zu finden gewesen, sondern sogar eher noch in der Wirtschaft, was die Verantwortung für alle Verbrechen angeht. Und bemerkenswert ist es, dass die Wirtschaft sich für eigene Belange durchaus über Hitler hinwegzusetzen vermochte – wie zum Beispiel die Umgehung des Nero-Befehles zeigte, die Albert Speer in Absprache mit Ruhr-Industriellen organisierte. Letztlich taten stets alle das, was die Wirtschaft wollte. Genau wie heute.“
Liebe Grüße
Dipl.-Kfm. Winfried Sobottka, UNITED ANARCHISTS und Order of ?
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